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Erstmals steht bei dem Ehrenpreis nicht mehr der Rückblick auf ein herausragendes Lebenswerk im Mittelpunkt der Betrachtung, erstmals wird mit ihm eine Bildgestalterin ausgezeichnet, die sich in der Hochphase ihres Schaffens befindet: Judith Kaufmann. Zweifellos gehört die gebürtige Stuttgarterin zu den bedeutendsten Kamerafrauen Europas – die Preise, mit denen sie bisher ausgezeichnet wurde, sprechen eine klare Sprache.
Inzwischen hat auch Amerika bei ihr angeklopft, Judith Kaufmann aber hat bisher keines der Angebote angenommen. Und so spricht alles dafür, dass die Bildgestalterin dem europäischen Film und auch dem deutschen Fernsehfilm noch viele Glanzlichter aufsetzen wird.
Schon als Jugendliche begeistert sich Judith Kaufmann für die Fotografie, absolviert nach dem Abitur eine Ausbildung zur Kamera-assistentin an der Staatlichen Fachschule für Optik und Fototechnik in Berlin und arbeitet dann zwei Jahre lang als Material- und acht Jahre lang als Kameraassistentin, überwiegend bei Spielfilmen. Leicht fällt es ihr nicht, in dieser Zeit ausschließlich mit dem technischen Aspekt des Filmemachens befasst zu sein. Die Schauspieler waren es vielmehr, das Licht, Fragen der Regie und die Geschichte an sich, die sie schon damals vor allem faszinieren.
Begründung der Jury
Mit Judith Kaufmann ehren wir eine in jeder Hinsicht außergewöhnliche und herausragende Kamerafrau. Nur wenigen Bildgestaltern gelingt es, eine solche Seelenverwandtschaft mit den Protagonisten vor der Kamera aufzubauen. Mit ihrem Kamerablick verlängert Judith Kaufmann die Innenwelten der Figuren in den äußeren Bildraum. Die Nähe der fast intimen Handkamera beherrscht sie dabei so souverän wie die opulente Kamerabewegung von Kran oder Dolly. Der Blick der Kamera drängt sich dabei dem Betrachter nie auf. Auch wenn ihr Kameraauge offen mit Figuren sympathisiert, gibt Judith Kaufmann nie eine Lesart vor, sondern fordert vom Betrachter einen eigenen Standpunkt. (…) Sie spielt mit Nähe und Distanz, schmeichelt, akzentuiert, irritiert mit Licht, harten Kontrasten und ausgewaschenen Farben. Souverän verfügt sie über alle gestalterischen Mittel, ohne dass diese je zum Selbstzweck werden. Wenn die meist jungen Protagonisten ihrer Filme an die Wendepunkte ihrer Biografie gelangen, erschafft Judith Kaufmann Bilderwelten von atmosphärischer Dichte und ergreifender Tiefe. Wo Dialoge enden, beginnen ihre Bilder.